Vehicle-to-Grid: Status-Quo – welches Land ist wie weit?

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The Mobility House Team

26. Januar 2023

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Die Technik ist die eine Sache, die regulatorischen Rahmenbedingungen eine andere. Deutschland holt auf diesem Feld auf, während Großbritannien hier schon weiter ist. Auch die Niederlande sind beim bidirektionalen Laden sehr aktiv.

Auto fährt über Autobahn bei Sonnenuntergang

Vehicle-to-Grid in Deutschland

In Deutschland geht es voran: Im Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ von 2021 stand bereits: „Wir werden bidirektionales Laden ermöglichen …“. Im veröffentlichten Masterplan Ladeinfrastruktur II vom Oktober 2022 setzt sich die Regierung Q2 2023 als neues Ziel: „Die Flexibilitäten von Elektromobilen und die damit verbundenen energiewirtschaftlichen Möglichkeiten können und sollen – insbesondere in Form des bidirektionalen Ladens – für das Stromsystem nutzbar gemacht werden“, heißt es in Maßnahme 47.

Die wesentlich notwendigen gesetzlichen Anpassungen sind:

  • Doppelbelastung des zwischengespeicherten Stroms bei mobilen Fahrzeugbatterien entsprechend stationären Speichern auflösen. Dies kann durch eine vereinheitlichte Definition von mobilen Energiespeichern realisiert werden.
  • Praxistaugliche Vorgaben für Messung und Steuerung sichern. Etablierung einer kosten- und prozesseffizienten Erfassung und Abgrenzung von bidirektionalem Ladestrom (zum Beispiel günstigere Smart Meter Gateway (SMGW), fahrzeuginterne Messung etc.).
  • Marktgestützte Beschaffung von Flexibilität für das Stromnetz und Vermarktung im Strommarkt ermöglichen. Etablieren variabler Energie- und Netztarife: Dabei ist durch marktwirtschaftliche Netztarifmechanismen darauf zu achten, dass nur ein notwendiger Netzausbau stattfindet und das Netz nicht durch Energiemarktoptimierungen be-, sondern entlastet wird.
  • Einheitliche Netzanschlussbedingungen für die Ladeinfrastruktur sowie einheitliche Begriffsdefinition (zum Beispiel eines „Letztverbrauchers“) über alle relevanten Gesetze (EnWG, EEG, KWKG etc.) hinweg.

Alle gesetzlichen Anforderungen, um bidirektionales Laden zu ermöglichen, sind bereits seit April 2022 paragrafenscharf im Rahmen der Begleitforschung für das BMWK erarbeitet worden. Zudem sind die nötigen regulatorischen Anpassungen für V2G als „No-regret“-Maßnahmen in der RED II Novelle bezeichnet. Auch in der Alternative Fuels Infrastructure and Repealing Directive (AFIR) ist bidirektionales Laden bereits vorgesehen.

Die Umsetzung von V2G nach Ländern

Vehicle-to-Grid in den Niederlanden

Die Niederlande haben sich mit rund 90.000 Ladepunkten zum „Elektromobilitätsmekka“ Europas gemausert. In Arnheim und vor allem Utrecht laufen bereits etliche Projekte, die das bidirektionale Laden untersuchen. Unter anderem startet Hyundai mit dem Ioniq 5 einen V2G-Versuch in Utrecht. Seit 2019 läuft in der Amsterdamer Johan Cruijff ArenA (JCA) unter Mitwirkung von The Mobility House ein Projekt, bei dem an den vorhandenen 3-Megawatt-Batteriespeichern, bestehend aus 148 Nissan Leaf-Batterien, und der 1-Megawatt-Photovoltaikanlage auf dem Dach der Arena mittels innovativem Lade- und Energiemanagement ein bidirektionales Fahrzeug verbunden ist. Die intelligente Softwaresteuerung von The Mobility House ermöglicht es, dass Elektroautos der Stadionbesucher:innen – nach Einwilligung durch den Eigentümer – nicht nur Strom über die Ladestation beziehen, sondern diesen im Verlauf des Aufenthalts intelligent gesteuert auch wieder an das Stadion abgeben können.

Vehicle-to-Grid in Großbritannien

Großbritannien ist von allen genannten Ländern bei der Regulatorik am weitesten und treibt das bidirektionale Laden konsequent voran. Unter dem Titel „Delivering a smart and secure electricity system“ (Errichtung eines intelligenten und sicheren Stromnetzes) legt das Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie die Rahmenbedingungen für V2G fest. Den Worten sind auf der Insel bereits Taten gefolgt. Das Ministerium fördert 20 V2G-Projekte mit 30 Millionen britischen Pfund und so sind rund 600 Automobile im Feldversuch involviert. Aktuell werden die Ergebnisse ausgewertet und die regulatorischen Anpassungen durch OFGEM (Office of Gas and Electricity Markets) vorbereitet.

Vehicle-to-Grid in Japan

Im Land der aufgehenden Sonne ist das V2G-Thema geboren worden. Mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 wurde der japanische Ladestandard CHAdeMO um die Bidirektionalität ergänzt. Ziel war, alle Elektroautos im Notfall als Notstromversorgung einzusetzen. Eine weiterführende Integration in den Energiemarkt ist aktuell nicht vorgesehen.

Vehicle-to-Grid in den USA

In den USA geht es bei Vehicle-to-Grid voran. Autos wie der Ford F150 Lightning sind Vorboten der Tatsache, dass auch in dem großen Land jenseits des Atlantiks ein intelligentes Stromnetz aufgebaut wird und werden muss. Das amerikanische Energieministerium hat mit einigen Schlüsselunternehmen ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, um Vehicle-to-Everything umzusetzen, in dem es heißt: „Bidirektionale Plug-in-Elektrofahrzeuge („PEVs") haben das Potenzial, die Energiesicherheit des Landes, wirtschaftliche Vitalität und Lebensqualität zu sichern.“ Eine weitere Maxime, die in dieser Vereinbarung explizit benannt ist, ist die Kunden- beziehungsweise Bedienungsfreundlichkeit. Die ist notwendig, um V2X, also auch V2G, in den USA massentauglich zu machen.  

Bereits 2013 hat das US-amerikanische Verteidigungsministerium in Südkalifornien einen V2G-Feldversuch mit Elektro-Limousinen ins Leben gerufen. Heutzutage spielen elektrische Schulbusse die Hauptrolle in den V2G-Projekten. Die Voraussetzungen der gelb-orangen Personentransporter sind wie geschaffen für das bidirektionale Laden. Ein durchschnittlicher Bus hat eine Batteriekapazität von 220 kWh und ist etwa sechs Stunden täglich und 200 Tage im Jahr im Einsatz. Den Rest der Zeit stehen die mächtigen Batterien zur Verfügung, um mit ihrer Energie das Stromnetz zu stabilisieren. In Beverly (US-Bundesstaat Massachusetts) haben diese Schulbusse 2021 rund 50 Stunden lang insgesamt drei mWh an Strom in das Netz zurückgespeist. Genug, um 100 Einfamilienhäuser einen Tag lang mit Energie zu versorgen.

In südkalifornischen Cajon Valley nahe San Diego ist im Sommer 2022 ein ähnliches Projekt gestartet, bei dem die elektrischen Schulbusse während des Schuljahres 2022/23 als V2G-Elemente in ein Stromnetz integriert werden. Um die Akkus und das Ladeverhalten zu analysieren, werden die Fahrzeuge mit der entsprechenden Telematik ausgestattet. Der federführende Energiebetreiber Utility San Diego Gas and Electric (SDG&E) geht davon aus, dass die V2G-Teilnehmer zwei US-Dollar per kWh erhalten.

Auch The Mobility House und New York City School Bus Umbrella Services (NYCSBUS) erproben V2G in einem Projekt in New York City. Grundsätzlich geht es beiden Partnern darum, die Ladevorgänge rein elektrischer Schulbusse an die Umläufe sowie die Strompreise anzupassen, um die Ladekosten so gering wie möglich zu halten. Ebenso gilt es, die Investitionskosten einer Netzanschlusserweiterung zu vermeiden bzw. so gering wie möglich zu halten.

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