Entscheidender Fortschritt: V2G als essenzielles Element der Elektromobilität

The Mobility House Avatar

The Mobility House Team

04. Januar 2024

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Das Jahr 2023 markierte einen Wendepunkt: Bidirektionales Laden in Deutschland nahm Fahrt auf. Durch unsere eigenen Projekte wurde bewiesen, dass die Ladetechnologie bereits heute erfolgreich funktioniert. Allerdings fehlen noch gesetzliche Rahmenbedingungen, die ihre praktische Anwendung ermöglichen. Diese sind unerlässlich, damit die Vehicle-to-Grid-Technologie losstarten kann. Die Politik hat die Dringlichkeit des Themas erkannt, nun bedarf es konkreter Massnahmen und klarer Signale. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Wir werfen einen Blick zurück auf die erzielten Fortschritte. Eines wird dabei klar: Wir befinden uns gerade erst am Anfang einer spannenden Phase auf dem Weg der bevorstehenden Energiewende.

VW ID.3 auf der Straße

Die Mobilitätswende ist im vollen Gange

Der Trend ist eindeutig: Elektrofahrzeuge werden künftig das Rückgrat der Verkehrswende bilden, auch wenn ihr Anstieg etwas geringer ausfiel als prognostiziert – was auf die geopolitischen Spannungen und der daraus resultierenden Lieferengpässe im gesamten Pkw-Markt zurückzuführen war. Stromer stehen dennoch fest als Grundpfeiler: Die Zulassungszahlen stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um beachtliche 28,2 Prozent, was 18 Prozent des Gesamtzulassungsvolumens entspricht. Am 1. Oktober 2023 waren 2,7 Prozent aller Pkw rein elektrisch unterwegs – das sind 1,31 Millionen batteriebetriebene Autos.

Energiepower durch Million E-Autos für unser Stromnetz

Die verbaute Batteriekapazität in den über eine Million Elektroautos bedeuten einen Beitrag von über 80 GWh für das Stromnetz. Selbst wenn nur ein Teil ihrer Kapazität genutzt wird, ist das ein bedeutender Faktor. Zum Vergleich: Alle deutschen Pumpkraftwerke bringen es aktuell gerade Mal auf 40 GWh. Mit der Zunahme an batterieelektrischen Autos wird das Potenzial weiterwachsen. Diese Entwicklung signalisiert nicht nur den signifikanten Einfluss auf das Stromnetz, sondern auch die bevorstehende Ära des bidirektionalen Ladens. Laut der Studie „Bidirektionales Laden in Deutschland – Marktentwicklung und Potenziale“ die unter anderem von der renommierten Beratung P3 automotive GmbH im Auftrag der e-mobil BW GmbH und der NRW.Energy4Climate GmbH erstellt wurde, werden bis 2030 5,2 Millionen und bis 2035 sogar rund 21,7 Millionen Fahrzeuge bidirektional Laden können – was 65% der gesamten Elektroauto-Bestände im Jahr 2035 entspricht.

Rettung in der Not: Blackout durch Fahrzeugbatterien verhindert

Vehicle-to-Grid (V2G) leistet Grosses für die Netzstabilität. Indem die mobilen Energiespeicher der Elektroautos wie ein gigantisches Kraftwerk fungieren, können Strom-Engpässe abgefedert, das Stromsystem stabilisiert und so mögliche Blackouts verhindert werden. Dass dieses Szenario durchaus real ist, hat der 25. Juni 2023 bewiesen: Durch einen Kraftwerksausfall und dem Defekt einer Kuppelleitung nach Norwegen fehlte dem deutschen Stromnetz Leistung. Doch unsere Algorithmen reagierten in Sekundenschnelle auf diese Schwankung. Rund 4'500 Fahrzeugbatterien sprangen ein, um genug Energie bereitzustellen, die dem Bedarf von ungefähr 20'000 Haushalten entspricht - mit dem Potenzial für bis zu 74'000 weitere, wenn sich die Situation weiter zugespitzt hätte. Durch das Aktivieren dieser bidirektionalen Energiespeicher wurde nicht nur das Hochfahren weiterer Gas- und Kohlekraftwerke vermieden, sondern auch bewiesen, dass die grüne Energiewende sich im Alltag realisieren lässt.

Paradebeispiel: 148 Batterien rocken Coldplay-Konzert

Ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie unglaublich leistungsfähig ein solcher Batterieverbund ist, demonstrierten wir unter anderem gemeinsam mit der Amsterdamer Johan Cruijff ArenA. Dort lieferten 148 stationäre 1st- und 2nd-Life Elektroauto-Batterien Strom für das Konzert der erfolgreichen Band Coldplay. Tagsüber wurden diese Energiespeicher mit Sonnenenergie „getankt“ und während des Auftritts entladen. Zukünftige Erweiterungen ermöglichen sogar eine 100-prozentige Stromversorgung.

 

Das Konzept, Fahrzeugbatterien als Energielieferant für das Stadion zu nutzen, lässt sich perspektivisch auch mit rollenden Fahrzeugakkus umsetzen: Besucher:innen parken ihre E-Autos, stimmen dem bidirektionalen Laden zu und liefern so Strom ans Stadion. Das Pilotprojekt bestätigt: Skalierung ist möglich.

Von Parkplätzen zu Stromreserven: Elektroautos als stille Helden des Energiesystems

Parkende Elektroautos werden zu flexiblen Speichern. Im Durchschnitt steht ein privates Auto laut Umweltbundesamt 23 Stunden am Tag und der/die deutsche Autofahrer:in legt lediglich 36 Kilometer pro Tag zurück - weit weniger als die Batterien ermöglichen, die im Schnitt eine Reichweite von rund 350 Kilometern haben.                                      

Die erzielten Erlöse am Energiemarkt bestätigten diese Zahlen während eines Feldversuchs auf dem EUREF-Campus von Februar bis Juli 2022, den wir gemeinsam mit der AUDI AG durchgeführt haben. 18 Batterien aus Audi e-tron Modellen wurden als mobile Speicher und Teil eines Smart Grids genutzt. Das Ergebnis: Hochgerechnet auf ein Jahr erzielte ein Akku ein Erlöspotenzial von 1'556 Euro. Das Risiko einer übermässigen Alterung der Batterie, etwa durch Erhitzen der Energiezellen infolge von häufigem Tiefenentladen, bestand nicht. Unsere intelligenten Algorithmen hielten die Batterien stabil in einer "Wohlfühloase".

 

Die Politik reagiert: Fahrtrichtung Zukunft für V2G-Laden in Europa

Bei Europas E-Mobilitätsgipfel im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im November, an dem neben Wirtschaftsminister Robert Habeck und hochrangige Vertreter aus sieben europäischen Mitgliedstaaten - sowie auch unser Geschäftsführer Marcus Fendt - teilnahm, ging es um die Zukunft des bidirektionalen Ladens in Europa. Einig waren sich alle in der Notwendigkeit von Flexibilität für erneuerbare Energien und zusätzlichen Energiespeichern. Verbesserte Anreize für Fahrzeugbesitzer:innen waren ebenfalls zentrales Thema. Die zeitliche Dringlichkeit wurde erkannt. Unsere Ansicht: Willenserklärungen der Politik sind wichtig. Was jedoch jetzt benötigt wird, sind Gesetzesanpassungen, um das Flexibilitätspotenzial der rollenden Akkus auch konkret nutzen zu können. Es ist an der Zeit loszulegen, um die deutsche Industrie nicht weiter ins Hintertreffen geraten zu lassen – und zwar jetzt.

Energierevolution im Januar: §14a EnWG

Die Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes in Deutschland markiert einen Meilenstein: §14a ermöglicht es ab 01. Januar 2024 Netzbetreibern, Wärmepumpen, Kälteanlagen, Ladestationen für E-Autos und andere sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen temporär zu drosseln, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten. Das erlaubt es, die Ladeleistung bei Belastungsspitzen vorübergehend auf 4,2 kW zu reduzieren. Selbsterzeugte Energie durch die eigene Solaranlage kann berücksichtigt werden. Warum das Ganze? Dieses Eingreifen und die damit einhergehende Flexibilität ist wichtig, um die wetterabhängigen erneuerbaren Energien besser und effizienter ins Stromnetz zu integrieren. E-Auto-Besitzer:innen profitieren im Gegenzug von reduzierten Netzentgelten. Sie sparen dank §14a durchschnittlich 160 Euro jährlich. Zudem müssen künftig neu installierte Ladestationen mit über 4,2 kW Ladeleistung steuerbar sein. Dieses Vorgehen leitet eine längst überfällige Entwicklung hin zu intelligenten Netzen und Zählern ein.

Erfahre alle weiteren Details zur §14a-Änderung in unserem Überblick mit zentralen FAQs.

Das bidirektionale Laden nimmt Fahrt auf

Der Markthochlauf alternativer Antriebe ist im vollen Gange. Um eine entsprechende Abdeckung mit Ladeinfrastruktur zu erreichen, ist eine enge Abstimmung mit den Automobilherstellern nötig. Das ist mit vertraulichen Cleanroom-Gesprächen geschehen, bei denen sowohl die Automobil- als auch die Nutzfahrzeughersteller zu den Produktstrategien und den geplanten Zulassungszahlen Auskunft gegeben haben. Die Transformation zum bidirektionalen Laden nimmt Fahrt auf. Erste Fahrzeuge, welche die Funktion unterstützen, kamen bereits auf den Markt – etwa Modelle der ID.-Familie von Volkswagen. Der Konzern rüstet dieses Jahr zudem weitere Modelle um, sodass dann auf einen Schlag hunderttausende neue E-Autos von VW, Audi, Skoda und Seat bidirektional ladefähig sind. Auch bereits ausgelieferte Modelle werden nach Aussagen von VW über Updates nachträglich befähigt. Auch Hyundai folgt dem V2G-Pfad. Im Jahr 2025 planen mindestens zwei Hersteller, rund 25 Prozent ihrer E-Fahrzeuge mit V2G-Funktionalität auszuliefern, bei einem Hersteller sollen es die Hälfte sein und bei einem weiteren sogar 75 Prozent.

Entdecke jetzt, welche Elektrofahrzeuge bereits V2G unterstützen.

Das bidirektionale Laden ist der Schlüssel zur Energiewende und der Mobilität von morgen, in diesem Punkt ist sich auch die Politik einig. Trotz der erzielten Fortschritte steht fest: Für die flächendeckende Einführung der Vehicle-to-Grid-Technologie sind klare gesetzliche Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene unerlässlich, insbesondere in Bezug auf Netzentgelte und das Stromsteuergesetz. Die Automobilhersteller machen bereits Nägel mit Köpfen und lieferten die ersten Fahrzeuge mit V2G-Funktionalität aus – damit wird bidirektionales Laden als neuer, unumstösslicher Standard festgelegt. Dies markiert den Beginn einer Ära, in der Fahrzeuge nicht nur fahren und transportieren, sondern als aktive Energiespeicher fungieren.

Beratung und Angebot

Erfahre, wie du innovative/r Vorreiter:in der E-Mobilität wirst. Lass uns gemeinsam die passgenaue Ladelösung für dich finden.

Jetzt kontaktieren
Jetzt kontaktieren
Ähnliche BeiträgeKnowledge Center
Electric car charging

18. Januar 2024

Vehicle-Grid-Integration (VGI / V2G) Projekte: Was Kaffee, eine Insel und ein Fußballstadion gemein haben

Die Energiezukunft begann bei uns mit einer Tasse Kaffee. Der Strom dafür kam allerdings nicht von einem weit entfernten Kraftwerk – sondern aus einem Elektroauto in der Tiefgarage. In dem ersten deutschen Vehicle-to-Grid-Piloten(V2G) überhaupt nutzten wir im Jahr 2015 die Batterie eines Nissan Leaf als zusätzlichen Energiespender für das Hausnetz seines Gebäudes. Das reichte zwar nicht für alle Verbraucher im Büro; für die Heißgetränke der Mitarbeiter:innen allemal.

Strommast im Wald

26. Oktober 2023

Die Zukunft des Fuhrparks heißt V2G - diese Chancen bietet die Technologie

Von Elektroautos im Stillstand profitieren und Geld sparen? Dank Vehicle-to-Grid ergibt sich daraus für Flotten die Chance, günstig zu laden und eine Vergütung zu erhalten, wenn sie Strom ins Netz einspeisen.

Electric car charging

13. Juli 2023

Gleichzeitigkeitsfaktor beim Laden von Elektrofahrzeugen in Theorie und Praxis

Insgesamt 681.410 Elektrofahrzeug-Zulassungen wurden im Jahr 2021 registriert. Damit hat sich der Anteil von Elektroautos an den Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahr 2020 fast verdoppelt. Dieser Anstieg bedeutet auch, dass immer mehr Ladeeinrichtungen, etwa Wallboxen im privaten Bereich, installiert und beim Netzbetreiber angemeldet werden. Der VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.) und der VDI (Verein Deutscher Ingenieure e. V.) haben dafür technische und regulatorische Bestimmungen festgelegt. Diese sind nicht nur für die Eigentümer:innen selbst, sondern besonders für Elektriker:innen und Gebäudemanager:innen, die mit der Installation beauftragt werden, relevant. The Mobility House erklärt, welche Rolle der Gleichzeitigkeitsfaktor für die Installation von Ladestationen spielt und wie er sich mit intelligentem Lastmanagement reduzieren lässt.