Da die Erzeugung von erneuerbarer Energie aus Wind und Sonne jedoch natürlichen Schwankungen unterliegt, landet je nach Tageszeit unweigerlich mehr oder weniger Strom aus Kohle und Gas in den Batterien von Elektroautos und eben nicht ausschließlich Ökostrom. Das mag erstmal ernüchternd klingen, doch es liegen große Chancen in der einzigartigen Stärke der batteriegetriebenen E-Mobilität als flexibler Verbraucher im Energiesystem: Ladevorgänge können automatisiert in Zeiten verschoben werden, in denen überdurchschnittlich viel CO2-freier Strom von erneuerbaren Erzeugern in den Netzen verfügbar ist. Mit dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien wird die E-Mobilität dann zu einer unabdingbaren Stütze: Durch das Verlegen des Ladens in die Zeiten der „Überschüsse“ werden diese zu wertvoll verwertbarer Energie, z.B. zwischen 10:00 und 16:00 Uhr an Sonnentagen.
Pilotprojekt zeigt: 20% CO2-Einsparung sind möglich
In einem Pilotprojekt hat das Technologieunternehmen The Mobility House gemeinsam mit der AUDI AG für ein ganzes Jahr untersucht, wie hoch das CO2-Einsparpotenzial bei emissions-optimierten Ladevorgängen ausfällt und welche zusätzlichen Anreize damit einhergehen.
"Laden Elektroautos vorrangig dann, wenn viel Windkraft und Sonnenenergie verfügbar ist, kann die CO2-Belastung sofort um bis zu 20 Prozent verringert werden. (Simulationen basieren auf den Werten von 2018)"
Veronika Brandmeier,
Head of Energy Supply and VGI Projects, The Mobility House
"AUDI will Anbieter CO2-neutraler Mobilität werden. Wir sind überzeugt: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Elektromobilität ist der mit Abstand effizienteste Weg zur Dekarbonisierung, weshalb wir eine konsequente E-Roadmap verfolgen. Bis 2025 erhöhen wir die Zahl der elektrisch angetriebenen Modelle deutlich und planen mehr als 20 vollelektrische Modelle. Daher ist es wichtig, dass diese große Anzahl an Elektrofahrzeugen vornehmlich mit Strom aus Erneuerbaren Anlagen geladen werden, um so die CO2-Emissionen tatsächlich auf null zu bringen. Durch das gemeinsame Projekt mit The Mobility House haben wir gezeigt, dass die Steuerung möglich ist und welchen Mehrwert dies dem gesamten System und seinen Playern bringen kann."
Alexander Kupfer,
Projektleiter in der Abteilung Nachhaltige Produktkonzepte der Technischen Entwicklung, AUDI AG
Neben dem Klimavorteil ergeben sich einige weitere positive Effekte, die auch für Endverbraucher:innen interessant sind.
"Vor allem Unternehmen könnten von CO2-optimierten Ladevorgängen profitieren. Zum Beispiel könnten sie mit flexiblen Stromtarifen ihre Ladekosten deutlich verringern, da Energiepreise zu Zeiten hoher Einspeisung von erneuerbaren Energien tendenziell meist niedriger sind. Die Ersparnis in der Strombeschaffung beträgt, wie unser Pilotprojekt mit AUDI zeigt, bis zu 37 Prozent vor Steuern. Oder anders ausgedrückt bis zu 88 Euro pro Elektroauto und Jahr, wenn das Fahrzeug sowohl tagsüber am Arbeitsplatz wie auch über Nacht zuhause mit einer Ladestation verbunden ist."
Veronika Brandmeier
Das macht den Weg frei für eine höchstmögliche Flexibilität und somit auch eine optimale Ausbeute. Zur Veranschaulichung eignet sich die Umrechnung in Tankstellenpreise: Hier würde die Einsparung einer Senkung des Benzinpreises von 1,50 EUR/Liter auf nur 1,42 EUR/Liter für ein ganzes Jahr entsprechen. In Anbetracht der aktuellen Energiemarktentwicklung könnte das gesteuerte Laden zukünftig sogar zu noch stärkeren finanziellen Vorteilen führen.
"CO2-optimiertes Laden wäre sicherlich auch für Privatkund:innen interessant. Technisch realisierbar wäre dies über digitale Smart-Meter und schon heute gängige Schnittstellen zur Ladeinfrastruktur. Was noch fehlt, sind regulatorische Voraussetzungen und die Verfügbarkeit von variablen Stromtarifen, wie sie mit Smart-Metering leicht umzusetzen wären."
Veronika Brandmeier
So könnten Endkund:innen von günstigeren Preisen und das Klima von weniger CO2–Emissionen profitieren. Aber auch für die Netzbetreiber hätten variable Stromtarife Vorteile: Energie ist meist dann besonders teuer, wenn vergleichsweise kostspielige Kohle- und Gaskraftwerke Lastspitzen ausgleichen müssen. Verlegen Elektroautofahrer:innen ihre Ladevorgänge dank finanzieller Anreize in lastschwache Zeiten, entschärft dies die Lastspitzen, die Dringlichkeit von regulierenden Eingriffen und teuren Investitionen für den Netzausbau sowie die Gefahr von Blackouts.
"Es entstünde eine Win-Win-Win-Situation für Verbraucher:innen, Netzbetreiber und das Klima."
Veronika Brandmeier
CO2-optimiertes Laden schlägt auf Scope2-Emissionen durch
Für Unternehmen ergeben sich sogar noch weitere Vorteile, wie das Pilotprojekt zeigt. Wer seine ohnehin bereits nachhaltige Elektroauto-Flotte zusätzlich auch noch CO2-optimiert lädt, zeigt, dass er es ernst meint mit seinen Bemühungen um den Klimaschutz – was bei Kund:innen und Geschäftspartnern, bei Mitarbeiter:innen und Talenten sicherlich gut ankommt und einen nicht zu unterschätzenden Imagegewinn mit sich bringen kann. Unternehmen, die ihren CO2-Ausstoß für ihren CSR-Bericht erfassen und offenlegen müssen, können mit der innovativen Technologie zudem Einsparungen bei ihren Scope2-Emissionen erzielen.
ChargePilot®, das intelligente Lade- und Energiemanagementsystem von The Mobility House, verringert auch ohne CO2-optimiertes Laden bereits den Ausstoß von Klimagas. Denn das Lastmanagement verhindert Lastspitzen und verschiebt Ladevorgänge in lastschwache und somit CO2-ärmere Zeitfenster mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien. Ohne Lastmanagement würde die CO2-Belastung für die untersuchten Use Cases im Vergleich zum durchschnittlichen Strommix sogar noch steigen, wie das aktuelle Pilotprojekt gezeigt hat. Denn wenn das Laden wie üblicherweise zu Peak-Zeiten stattfindet – etwa direkt nach der Ankunft am Arbeitsplatz oder zum Feierabend daheim – bezieht das Elektroauto Strom mit einem überdurchschnittlich hohen CO2-Anteil aus dem Netz.
Elektroautos kommen genau rechtzeitig für den Ausbau der Erneuerbaren Energien
Wenn Deutschland bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energie am Stromverbrauch auf 65 % steigert, wird es vielfach zu zeitweisem Überangebot an Energie kommen. Eine Simulation der TU Berlin und AUDI konnte zeigen, dass die dann vorhandenen 10 Mio. Elektrofahrzeuge (erklärtes Ziel der Bundesregierung sind mittlerweile 15 Mio. Elektrofahrzeuge bis 2030) ihren Bedarf zu mehr als der Hälfte aus den Überschüssen decken könnten. Oder, aus Sicht der Energieversorgung, könnten 50 % der Überschüsse verwertet werden – ganz nach der Devise nutzen statt abschalten.
Mit dem aktuellen Klimaschutzprogramm der Europäischen Kommission „Fit for 55“ dürfte der Ausbau der Erneuerbaren und der Anteil der Elektroautos sogar noch höher liegen. Dann könnten Elektrofahrzeuge einen noch größeren Beitrag leisten.